Ausgewählte Themen zur Geschichte der Ostschweiz
In den letzten Jahren sind an den schweizerischen Universitäten mehrere historische Arbeiten zur Geschichte der Ostschweiz verfasst worden. Die Vorlesungsreihe will aus dieser Forschungstätigkeit der Hochschulen drei Arbeiten näher vorstellen, die einerseits den besonderen Entwicklungen der letzten 300 Jahre in der Ostschweiz nachspüren, zugleich diese Entwicklungen aber auch in einen grösseren internationalen Kontext stellen.
Den Anfang macht ein Vortrag, der die Verlagerung des Leinwandhandels vom städtischen Zentrum St.Gallen auf die Landschaft zeigt. Anhand des Beispiels der Kaufleute Zellweger von Trogen wird der Frage nachgegangen, wie der Wissenstransfer auf die Landschaft gelang. Aus diesem «Kaff» heraus haben sie den Leinwandhandel im Dreieck Trogen, Lyon und Genua von 1670 bis 1820 auf- und ausgebaut. Wie eigneten sie sich das Wissen über den professionell betriebenen Leinwandhandel an? Wie eng waren ihre geschäftlichen Kontakte nach St.Gallen?
Die Textilindustrie steht auch im Mittelpunkt des zweiten Vortrags. Die Krisen der Zwischenkriegszeit trafen die Ostschweiz aufgrund ihrer industriellen Monokultur härter als andere Regionen. Mit dem Niedergang der Stickerei-Industrie brach ein Grossteil der Grundlage des Stadtsanktgaller Reichtums weg. Lange verhinderte die Angst vor weiteren Verlusten Innovationen. Der Konflikt zwischen dem Kaufmännischen Direktorium und dem Industrieverein, und damit zwischen alteingesessenen Fabrikanten und zugezogenen Unternehmern, spitzte sich zu. Schliesslich raufte sich die Stadtpolitik zusammen und gründete 1927 das erste Standortförderungsbüro der Schweiz.
Als Reaktion auf das beschleunigte industrielle Wachstum im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts strebten immer mehr Menschen in der Ostschweiz, angeregt durch Entwicklungen in Europa und Nordamerika, nach einem gesünderen und natürlicheren Lebensstil. Sie ernährten sich vegetarisch, legten sich nackt in die Sonne und verbrachten ihre Freizeit im Schrebergarten. In vielen westlichen Ländern entstanden Naturheilanstalten, Reformhäuser und Landerziehungsheime. Der dritte Vortrag legt dar, wie dieser Lebensstil in die Schweiz kam und welche Rolle amerikanische Vegetarierinnen, japanische Reformpädagogen und indische Yogis dabei spielten.
Mittwoch, 18.15 bis 19.45 Uhr, (Raum für Literatur) Postgebäude am Bahnhof St.Gallen (Eingang Südseite, 3. Stock, Lift vorhanden), St.Leonhard-Strasse 40, St.Gallen
13. April
Wissenstransfer von der Stadt auf das Land. St.Gallen und die Kaufleute Zellweger von Trogen, 1670–1820
Dr. Maya Zellweger, Winterthur
27. April
Stickerei-Krise und die Erfindung der Standortförderung
Roman Hertler MA, St.Gallen
11. Mai
Eine Globalgeschichte der Lebensreform
Dr. Stefan Rindlisbacher, Fribourg
Leitung | Prof. Dr. Max Lemmenmeier, Historiker